Kann man trotz Sonnencreme braun werden?
Mittlerweile ist den meisten Menschen bekannt, dass zu viel Sonnenstrahlung das Risiko von Hautkrebs steigert. Entsprechend häufig ist mittlerweile die Anwendung von Sonnencreme. Die schützt unterschiedlich stark, Auskunft über die jeweilige Stärke gibt der Lichtschutzfaktor.
Wenn Sonnencreme vor Hautkrebs schützt, warum wird dann nicht ausschließlich der stärkste verfügbare Lichtschutzfaktor gekauft?
Ein häufiger Grund: Die Menschen möchten trotzdem braun werden - und nehmen an, dass ein hoher Lichtschutzfaktor dem im Wege steht. Ein guter Grund, sich einmal näher mit den Zusammenhängen von Lichtschutzfaktor, Sonnenbrand, Hautkrebs und Bräunung zu beschäftigen.
Sonnenlicht, UVA, UVB - alles elektromagnetische Strahlung
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht gerade intuitiv ersichtlich ist, so handelt es sich tatsächlich bei sichtbarem Licht, UV-Strahlung, Infrarot-Strahlung und selbst Radiowellen immer um dasselbe physikalische Phänomen, nämlich elektromagnetische Strahlung.
Der wesentliche Unterschied zwischen diesen Strahlungsformen liegt in ihrer Wellenlänge. Während die Wellenlängen von UKW-Radiowellen mehrere Meter betragen, sind es bei sichtbarem Licht nur noch 400-700 Nanometer (nm). UVB- und UVA-Strahlung liegen zwischen 290 und 400 nm (je nach Literaturquelle manchmal auch 280-380 nm - die 290-400 nm entstammen einer EU-Veröffentlichung zu Sonnenschutzmitteln).
Je kürzer die Wellenlänge, desto mehr Energie enthalten die einzelnen Strahlungsteilchen, die Photonen. Gleichzeitig dringt die langwelligere UVA-Strahlung tiefer in die Haut ein als die kurzwelligere UVB-Strahlung.
Wie schädigt UV-Strahlung die Haut?
UVA-Strahlung führt zur Bildung freier Radikale
UVA-Strahlung dringt bis in die Dermis ein. Dort sorgt sie für eine vermehrte Produktion sogenannter reaktiver Sauerstoffverbindungen (ROS), besser bekannt als freie Radikale. Freie Radikale haben allgemein einen ausschließlich negatives Image, weil sie viele verschiedene Moleküle schädigen können: Das Reaktive der reaktiven Sauerstoffverbindungen stammt von ungepaarten Elektronen in der Hülle der Atome, die gern mit anderen Molekülen Verbindungen eingehen möchten. Das führt zur Veränderung der betroffenen Moleküle, etwa DNA, Proteine, Kohlenhydrate oder Lipide, die daraufhin nicht mehr ihre normale Funktion in der Zelle ausführen können.
Scheinbar passiert dies, weil der Körper selbst eine Möglichkeit hat, u.a. durch das Immunsystem freie Radikale zu bilden, und das auch kontinuierlich tut. Gleichzeitig existiert jedoch das sogenannte antioxidative Netzwerk, das wiederum als Schutzfunktion des Körpers zu einem Gleichgewicht der jeweils aktiven Zahl reaktiver Sauerstoffverbindungen und der sie neutralisierenden Antioxidantien führt. Offenbar nutzt der Körper diese freien Radikale, eben weil sie Zellen schädigen - und greift auf diese Weise z.B. entstehende Krebszellen an.
Durch UVA-Strahlung und andere Umwelteinflüsse wie etwa das Rauchen wird nun die Produktion freier Radikale hochreguliert, so dass das Gleichgewicht zwischen ROS und antioxidativem Netzwerk nicht mehr funktioniert. Als Resultat kommt es zu vermehrten Zellschäden in der Dermis - der Hautschicht, die das Bindegewebe, also Collagen, enthält. Das Collagen wird vermehrt zerstört, es kommt zu vorzeitiger Hautalterung, dem sogenannten Photoaging: Mit schlechter funktionierendem Bindegewebe wird die Haut schlaffer und es entstehen vermehrt Falten.
UVB-Strahlung schädigt die DNA direkt
Die energiereichere, kurzwelligere UVB-Strahlung dringt nur in die oberen Hautschichten ein. Dort führt sie allerdings auch zu stärkeren Schäden. UVB-Strahlung wirkt nämlich als Mutagen, d.h. ihr Einfluss führt direkt zu Veränderungen der DNA von Zellen.
Die DNA ist ein sehr komplexes Molekül, das u.a. aus vielen Kopien der vier Arten von Nukleinbasen (Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin) zusammengesetzt wird. Durch die jeweilige Reihenfolge dieser Nukleinbasen sind die Erbinformationen in der DNA gespeichert.
UVB-Strahlung führt nun zur Bildung von Zyklobutan-Pyrimidin-Dimeren (CPD) zwischen benachbarten Exemplaren von Thymin und Cytosin - und damit zur Veränderung der Erbinformationen, also zu Mutationen.
Dieser Mechanismus ist auch der Grund, warum UVB-Strahlung krebserregend wirkt.
Wird Haut durch UV-Strahlung braun?
Haut wird braun, weil wir für diesen Zweck Pigmente bilden: die Melanine. Wir Menschen haben davon zwei Arten: Phäomelanin ist das Pigment, das Haare rot färbt, Eumelanin sorgt je nach Menge für braune bis schwarze Färbung. Die meisten Menschen produzieren beide Melanine in unterschiedlicher Ausprägung. Diese Melanine bestimmen die Färbung von Haut, Haaren und der Iris. Das hellere Phäomelanin hat eine geringere Schutzwirkung vor UV-Strahlung als das dunklere Eumelanin.
Die Bräunung von Haut kann jetzt durch zwei verschiedene Prozesse stattfinden: durch Färbung der vorhandenen Pigmente, und durch Neubildung weiterer Pigmente. Welcher Vorgang nun aktiviert wird, ist abhängig von der Wellenlänge der einfallenden Strahlung.
UVA-Strahlung aktiviert hauptsächlich (aber nicht nur) die direkte Pigmentierung. In diesem Fall werden die vorhandenen Pigmente oxidiert und verdunkeln sich dadurch. Dieser Vorgang geschieht recht schnell und nimmt nach 24 h bereits wieder ab.
UVB-Strahlung hingegen ist wesentlich für die indirekte Pigmentierung verantwortlich. Trifft sie auf die äußeren Hautschichten, dann werden dort die Melanozyten, auf die Melanin-Produktion spezialisierte Zellen, zur Pigmentneubildung angeregt. Diese neue gebildeten Melanine werden dann in die benachbarten Zellen verteilt und führen so zur Bräunung der Haut. Indirekte Pigmentierung ist erst nach einem Tag sichtbar, hält dafür aber auch so lange an, bis die Zelle im Rahmen der üblichen Zellerneuerung ausgetauscht wird. Für den optischen Eindruck gebräunter Haut ist diese indirekte Pigmentierung stärker verantwortlich als die kurzfristig wirkende direkte Pigmentierung.
Neben der indirekten Bräunung (und Hautkrebs) ist UVB-Strahlung auch die Hauptursache für Sonnenbrand. Der ist aber für den Bräunungseffekt nicht nötig.
Diese vielfältigen Hautreaktionen halten sich dabei nicht streng an die von uns Menschen letztendlich willkürlich definierten Strahlungsbereiche. Grundsätzlich kann also auch UVA-Strahlung zu indirekter Pigmentierung und auch Sonnenbrand führen - allerdings sind in diesem Fall deutlich größere Strahlungsintensitäten bzw. durch Medikamente oder Kosmetik besonders photosensibilisierte Haut nötig. Bei gleichzeitig ansteigender UVB-Strahlung würde die betroffene Person bei der nötigen Strahlungsmenge schwere Verbrennungen bekommen.
Kann auch sichtbares Licht zu Bräunung führen?
Darüber hinaus mehren sich aktuell Hinweise, dass selbst (kurzwelliges) sichtbares Licht zu Bräunungsreaktionen führen kann - allerdings nur bei dunkleren Hauttypen entsprechend der Fitzpatrick-Skala. Diese sechsstufige Skala bietet eine einfache Einteilung der Hautfarbe, wobei Typ I am hellsten und Typ VI am dunkelsten ist. Je dunkler die Haut einer Person ist, desto ausgeprägter ist dabei die Bräunungswirkung des sichtbaren Lichts. Selbst bei den dunkelsten Hauttypen ist dieser Effekt aber schwächer als der von UVB-Strahlung.
Lichtschutzfaktor und kritische Wellenlänge - vor welchen Wellenlängen schützt meine Sonnenschutzcreme?
Der Lichtschutzfaktor einer Sonnencreme gibt an, wie viel länger eine eingecremte Person in der Sonne liegen kann, ohne einen Sonnenbrand zu bekommen. Da wir nun wissen, dass Sonnenbrand fast nur durch UVB-Strahlung verursacht wird, heißt das im Umkehrschluss: Ein hoher Lichtschutzfaktor schützt vor Sonnenbrand und Hautkrebs, aber nicht vor der Hautalterung und der Bildung freier Radikale durch UVA-Strahlung.
Darum wurde zusätzlich das Konzept der kritischen Wellenlänge eingeführt, das auch den UVA-Bereich abdecken soll. Wenn eine Sonnencreme vor UVA-Strahlung schützt, dann soll ja möglichst der gesamte UV-Wellenlängenbereich von 290 bis 400 nm abgedeckt werden. Die Schutzwirkung einer Sonnencreme wird also in diesem Bereich gemessen und anschließend geprüft, ob sie sich möglichst gleichmäßig über alle Wellenlängen verteilt. Je gleichmäßiger die Verteilung, desto weiter reicht die kritische Wellenlänge an die 400 nm heran, die den Übergang zum sichtbaren Licht markiert.
Mathematisch formuliert: Die kritische Wellenlänge ist definiert als diejenige Wellenlänge, bei der das Integral der spektralen Absorptionskurve 90% des Integrals von 290 bis 400 nm entspricht.
Hier wird also mit einem UV-Spektrometer gemessen, welcher Anteil der Strahlung pro Wellenlänge absorbiert wird.
Das ist für die meisten Menschen nicht gerade die griffigste Definition, darum wurde z.B. durch die EU eine Formulierung vorgeschrieben, die in vier Stufen von "niedrig" bis "sehr hoch" einen leichter verständlichen Eindruck der Schutzwirkung vermittelt.
Fazit: Gebräunte Haut und trotzdem kein Hautkrebs?
Personen mit den hellsten Hauttypen auf der Fitzpatrick-Skala haben Pech: Sie werden ohnehin kaum braun, und sie müssten sich diese Bräunung mit UVB-Strahlung und entsprechendem Sonnenbrand- und Hautkrebs-Risiko teuer erkaufen.
Dunklere Hauttypen hätten schon eher noch Bräunungseffekte trotz hohem Lichtschutzfaktor, wenn sie auf den UVA-Schutz verzichten. Sie müssten sich dann "nur" mit frühzeitig erschlaffender und faltiger Haut arrangieren.
Wer Hautkrebs und Falten vermeiden will, sollte zur Sonnencreme mit sehr hohem Lichtschutzfaktor und UVA-Schutz greifen. Und die Bräunung sollte dann lieber aus der Tube kommen.
Übrigens: Auch mit korrekt aufgetragener Sonnencreme synthetisiert ein Mensch in den meisten Gegenden der Erde genügend Vitamin D3 für den eigenen Bedarf.
Quellen
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23111621/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31069787/
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/06/12/wie-schuetzt-melanin-die-haut-vor-uv-strahlung
- https://edoc.ub.uni-muenchen.de/8781/1/Schreier_Wolfgang.pdf
- https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2006:265:0039:0043:DE:PDF