Das Signal-Rausch-Verhältnis in der Spektrometrie
Eine wichtige Eigenschaft u.a. optischer Geräte, so auch von Spektrometern, ist das Signal-Rausch-Verhältnis (abgekürzt SNR, vom englischen Signal to Noise Ratio). Aber was beschreibt das SNR genau, und wie können wir damit verschiedene Spektrometer vergleichen?
Das Signal-Rausch-Verhältnis erfasst den Unterschied zwischen dem erwünschten Nutzsignal und dem unerwünschten Hintergrundrauschen eines Sensors. In der Spektrometrie und ähnlichen optischen Feldern handelt es sich beim SNR meist um eine dimensionslose Größe, d.h. hinter dem Zahlenwert folgt keine Einheit. Neben der Spektrometrie wird es auch in vielen anderen Bereichen benutzt. Dort, also z.B. bei der Audio-Verarbeitung oder der Nachrichtentechnik, ist das Signal-Rausch-Verhältnis etwas anders definiert und hat dann die Einheit Dezibel (dB).
Ein hohes Signal-Rausch-Verhältnis ist also besser - wozu dann ein ganzer Artikel zum Thema? Der Teufel steckt hier wie immer im Detail: Welches Signal genau wird erfasst, unter welchen Bedingungen wird gemessen (z.B. praxisnah oder unter Idealbedingungen), gilt das SNR für den gesamten spektralen Bereich oder nur für einen günstigen Abschnitt des Spektrums? Um SNR-Werte verschiedener Geräte sinnvoll vergleichen zu können, müssten auch die Bedingungen ähnlich sein, unter denen das Signal ausgelesen und das Signal-Rausch-Verhältnis berechnet wurde.
Von der Strahlung zum Signal
Zur Erinnerung: Bei Spektrometern trifft Licht, also elektromagnetische Strahlung, auf den Eingang des Geräts, durchläuft den optischen Aufbau, wird dort nach Wellenlänge aufgefächert und erreicht schließlich die Sensorzeile. Diese Sensorzeile besteht aus einzelnen lichtsensitiven Pixeln, wobei jedes Pixel immer nur einen bestimmten Wellenlängenbereich abbekommt. Alternativ gibt es hauptsächlich in Laborgeräten auch noch den klassischen Aufbau mit nur einer Photozelle, zu der die einzelnen Wellenlängenbereiche dann dank eines beweglichen Prismas nach und nach der Reihe nach hingelenkt werden. Ob ein Pixel oder viele, an diesem Punkt wird die eintreffende Strahlung nun in elektrische Spannung umgewandelt.
Jetzt gibt es schon ein Signal, allerdings ist dieses Signal noch analog. Im nächsten Schritt wird es mithilfe eines Analog-Digital-Wandlers (ADC, vom englischen Analog Digital Converter) in ein digitales Signal umgewandelt. Die hier verwendeten ADCs haben fast immer eine Auflösung von 16 Bit. Mit anderen Worten: Sie können maximal 2^16 = 65536 unterschiedliche Werte (Counts) ausgeben.
Damit haben wir bereits den theoretischen Idealfall erfasst: Ein Signal der maximalen Stärke von 65535 (weil die Skala bei null beginnt), und ein minimales Rauschen von einem Count ergibt ein Signal-Rausch-Verhältnis von 65535:1. Den Sonderfall komplett ohne Rauschen ignorieren wir an dieser Stelle wegen der Division durch null - ein Spektrometer komplett ohne jegliches Rauschen gibt es ohnehin nicht.
Warum eigentlich nicht?
Entlang der Signalverarbeitungskette gibt es verschiedene Stellen, an denen Rauschen das Signal verschlechtern kann. Schauen wir uns noch einmal etwas genauer an, wie die Umwandlung der Strahlung in ein digitales Signal vonstattengeht.
Die Strahlung trifft in Form von Photonen auf die Atome in der Photozelle. Die Energie eines Photons wir nun von dem Atom aufgenommen, auf das es dort trifft. Das schiebt ein Elektron dieses Atoms auf ein höheres Energieniveau. Im vereinfachten Modell kann man sich das Elektron als auf einer höheren Umlaufbahn vorstellen, weniger gebunden an den Atomkern, um den es kreiste.
Das ist der photoelektrische Effekt, und die so mobilisierten Elektronen werden Photoelektronen genannt.
Die Pixel in der Sensorzeile des Spektrometers bestehen aus einem Halbleitermaterial, das gezielt mit Spuren eines Stoffes verunreinigt (dotiert) wurde. Dieser Stoff besteht aus Atomen, die weniger Elektronen als Protonen haben. Ihnen fehlen also Elektronen. Die mobilisierten Elektronen werden von diesen Atomen eingefangen.
Einmal eingefangen können die Elektronen per Knopfdruck freigesetzt werden, eine Spannung entsteht, und die wird dann vom ADC-Wandler aufgenommen und zu einem digitalen Wert zwischen 0 und 65535 umgewandelt.
Dunkelrauschen
Das Problem ist nun, dass das gemessene Licht nicht der einzige Faktor ist, durch den Energie zu den Sensorpixeln gelangt. Unfreiwillig führen auch andere Faktoren zum Herauslösen der Elektronen. Der wichtigste Faktor ist hier Strahlung, die nicht zum Signal gehört, das wir messen wollen. Selbst im dunkelsten Raum gibt es die, vor allem in Form von Wärme. Sie findet sich in jeder Mess-Situation, die über dem absoluten Nullpunkt liegt. Und auch das Spektrometer selbst, genauso wie z.B. die Beleuchtungsquelle, produziert Abwärme, sobald es angeschaltet wird.
Diese Wärmestrahlung ist die wesentlichste Rausch-Quelle. Sie wird als Dunkelrauschen (oder auch Schrotrauschen, Dunkelstrom-Rauschen, engl. dark shot noise) bezeichnet, weil sie auch in einem vollständig abgedunkelten Versuchsaufbau, also ohne jegliches Fremdlicht, messbar ist.
Dunkelrauschen tritt also schon ganz am Anfang der Signalverarbeitungskette auf. Es kann im Wesentlichen nur durch Minimierung dieser Wärmestrahlung verringert werden. Schon beim Design des Spektrometers, aber auch der Mess-Situation als Ganzer, ist deshalb darauf zu achten, dass alle Wärmequellen möglichst von der Sensorzeile selbst isoliert sind. In einem nächsten Schritt kann dann das Spektrometer noch gekühlt werden, um so das Dunkelrauschen weiter zu reduzieren.
Ausleserauschen
Zusätzlich treten auch während der Übersetzung der eintreffenden Photonen über das analoge Signal zum digitalen Signal Störungen auf. Sie werden meist als Ausleserauschen (engl. read noise) bezeichnet. Die Auslöser ähneln denjenigen des Dunkelrauschens, hauptsächlich die Temperatur des Systems und die Länge der Belichtungszeit, wobei längere Belichtung stärkeres Rauschen mit sich bringt.
Störungen des digitalen Signals
Ist das Signal erst einmal digitalisiert, dann verringert sich auch die Störanfälligkeit des Datentransports. Ganz erledigt hat sich die Problematik trotzdem noch immer nicht. Ungenauigkeiten im Taktsignal, mit dem digitale Bauteile wie der ADC betrieben werden, können sich auf die Regelmäßigkeit der Ausleseintervalle auswirken. Das kann das Signal verfälschen, weil für diese Zeiteinheit dann etwas mehr oder weniger viele Photonen eingesammelt werden, als eigentlich in der Zeitspanne angefallen wären.
Außerdem wird die digitale Signalübertragung selbst durch elektromagnetische Strahlung beeinflusst, die aus anderen Bauteilen des Spektrometers selbst oder aus dessen Umgebung stammt (elektromagnetische Interferenz). Möglich ist auch eine Beeinflussung durch Leitungen in der unmittelbaren Nachbarschaft innerhalb des Geräts (crosstalk). Diese beiden potenziellen Fehlerquellen sind jedoch mit durchdachtem Hardware-Design stark reduzierbar.
SNR dunkel: Signal-Rausch-Verhältnis ganz ohne Licht bestimmen
Bei einer spektralen Messung werden all diese und noch weitere, hier nicht genannte Fehlerquellen das Signal beeinflussen. Sie alle werden in ihrem Zusammenspiel als ein Gesamtrauschen erfasst.
Eine einfache Möglichkeit, ein Signal-Rausch-Verhältnis zu bestimmen, ist die Aufnahme einer Messung in kompletter Dunkelheit. Wenn überhaupt kein Licht von außen auf die Sensorzeile trifft, dann messen wir ausschließlich das Rauschen. Als Signal wird hier vereinfachend das theoretische Maximum von 65535 angenommen.
Auf diese Weise errechnet sich ein sehr hohes Signal-Rausch-Verhältnis, dass sich sehr gut in Datenblättern macht. Nicht zuletzt deshalb wird es auch sehr häufig in der Spektrometrie genutzt. Hinweise, dass das SNR auf diese Weise bestimmt wurde, sind Begriffe wie Dunkelmessung oder SNR (dunkel).
Berechnung des Signal-Rausch-Verhältnisses dunkel. S ist das Signal, angenommen als konstante 65535, D ist das Dunkelspektrum, σ ist der Median der Standardabweichung des Dunkelspektrums.
Zwar ist das Rauschen in dieser Berechnung tatsächlich echt, jedoch ist die Annahme eines perfekt und maximal ausgesteuerten Signals nicht sehr realistisch. In der Praxis wird das Signal unseres Interesses praktisch nie völlig stabil sein. Würden wir die Amplitude also so ausregeln, dass wir die maximal möglichen Counts erreichen, dann setzen wir unsere Messung immer dem Risiko aus, die Spitze des Peaks abzuschneiden und so die Messung zu verfälschen.
Außerdem erkauft man sich in der Praxis diese Maximal-Aussteuerung mit ungeplanten Kosten: Eine längere Belichtungszeit etwa erhöht in der Praxis auch das Rauschen, das wir mitmessen.
Das SNR dunkel hat neben dem schön großen Zahlenwert aber auch einen legitimen Vorteil: Es ist verhältnismäßig gut über verschiedene Geräte und Mess-Szenarien hinweg vergleichbar, eben weil kein echtes, je nach Situation schwankendes, sondern ein fiktives, aber dafür immer identisches Signal angenommen wird. Vermutlich nicht zuletzt deshalb wird es auch von sehr vielen Herstellern zur Charakterisierung ihrer Spektrometer verwendet.
SNR hell: Signal-Rauschverhältnis realitätsnah berechnen
Realitätsnäher ist es jedoch, eine echte Signalquelle spektral zu vermessen. Der Messaufbau wird in diesem Fall so gestaltet, dass möglichst viel Strahlung auf die Sensorzeile gelangt - aber nicht so viel, dass der mögliche Maximalwert erreicht wird. Würden wir durchgängig maximale Counts sehen, dann wäre das letztlich nur eine kompliziert durchgeführte Dunkelmessung.
Um das Rauschen fest zu definieren, wird vorher wie bei einer SNR-Dunkelmessung das pure Rauschen selbst aufgenommen und anschließend vom ermittelten Signal abgezogen.
Berechnung des Signal-Rausch-Verhältnisses hell. S ist das tatsächlich gemessene Signal. D ist das zuvor gemessene Dunkelspektrum. σ ist die Standardabweichung des Signals.
Ein auf diese Weise ermitteltes Signal-Rausch-Verhältnis wird deutlich niedriger sein als eine Dunkelmessung. Ein SNR dunkel ein und desselben Geräts kann problemlos mehrfach größer als ein realitätsnahes SNR hell sein. Das wird bei Betrachtung der Formel unmittelbar deutlich: Wenn das Signal nur auf maximal zu erreichende 30000 Counts ausgesteuert ist, dann ist das resultierende Signal-Rausch-Verhältnis schon allein dadurch nur noch weniger als halb so groß. Das SNR hell ist jedoch gleichzeitig viel näher an der Situation im Feld, in der das Signal selten in Form von perfekten, maximal strahlenden Ausschlägen auftreten wird.
Was beeinflusst die SNR-Formel noch?
Signal-Rausch-Verhältnis über das gesamte Spektrum
Bisher wurde das Signal-Rausch-Verhältnis so behandelt, es beträfe es nur eine einzelne Wellenlänge und ein einzelnes photosensitives Pixel. Das ist bei einem Spektrometer natürlich nicht der Fall. In Wirklichkeit wird das SNR deshalb meist für das gesamte Spektrum berechnet. Das geschieht schlicht durch Mittelung über alle Werte. Spektrometer sind an den Rändern des Wellenlängenbereichs sehr häufig weniger sensitiv, haben dort also ein schlechteres Signal-Rausch-Verhältnis.
Eine Mittelung über den gesamten Wellenlängenbereich des Spektrometers kann deshalb zu einem niedrigeren Signal-Rausch-Verhältnis führen. Wenig überraschend trifft man deshalb in der Praxis gelegentlich auf Hersteller, die das Signal-Rausch-Verhältnis ihres Geräts auf bestimmte Wellenlängenbereiche einschränken. Das muss nicht unbedingt Schummelei sein, und ist ja auch kein Nachteil, wenn die in der Anwendung gefragten Wellenlängen in diesem Bereich sind. Beachtet werden sollte es jedoch. Die Sensitivität von Spektrometern wird physikalisch bedingt immer zu den Rändern hin abflachen, und es liegt letztlich im Ermessensspielraum des Herstellers, wie breit der Randbereich ist, der für die Anwendung zugänglich gemacht wird.
Manchmal allerdings wird das Signal-Rausch-Verhältnis tatsächlich nur über eine einzelne Wellenlänge bzw. ein Pixel der Sensorzeile gemessen. Hier muss dann zwischen den Zeilen gelesen werden, denn in aller Regel wird das nicht explizit formuliert. Das eine Pixel ist dann natürlich dasjenige mit dem minimalsten Rauschen bzw. der maximalen Sensitivität. Hinweise, die in diese Richtung zeigen, sind dann verwendete Stichworte wie min oder max hinter der SNR-Angabe.
SNR und die Anzahl der Messungen
In der Praxis messen wir jedoch selten nur ein einziges Mal, sondern führen meist mehrere Messungen derselben Probe durch, etwa um inhomogenen Proben-Oberflächen entgegenzuwirken. Die Resultate dieser Messungen werden dann ebenfalls gemittelt. Mit höherer Anzahl an Einzelmessungen wird dabei auch deren Standardabweichung steigen. Und die schlägt sich ja auf das Signal-Rausch-Verhältnis nieder.
Andersherum formuliert: Je weniger Messungen gemittelt werden, desto schöner wird das resultierende Signal-Rausch-Verhältnis aussehen. Die Anzahl der Messungen, die in das Signal-Rausch-Verhältnis eingeflossen ist, spielt so beim Gerätevergleich eine große Rolle.
Der Messaufbau beeinflusst das Signal-Rausch-Verhältnis
Nicht zuletzt lauern auch im Messaufbau selbst einige Tücken, allen voran die Temperaturdrift. Durch den Betrieb wird sich das Spektrometer erwärmen. Das führt wie oben beschrieben zu einem erhöhten Grundrauschen und damit zwangsläufig zu einem schlechteren Signal-Rausch-Verhältnis.
Dasselbe kann für die Lichtquelle gelten. Auch sie rauscht, und dieses Rauschen kann durch die Eigenerwärmung verstärkt werden. Rauscht die Lichtquelle, dann wird dieses Rauschen zwangsläufig auch die Messung durch das Spektrometer beeinflussen. Zusätzlich strahlt die Lichtquelle ihre Wärme auch aus, und die kann, je nach Anordnung im Messaufbau, auch das Spektrometer beeinflussen.
In einer idealen Welt wären das gesamte System, also Spektrometer, Lichtquelle und Probe immer von exakt konstanter, möglichst niedriger Temperatur.
Einflüsse auf das Signal-Rausch-Verhältnis zusammengefasst
Um das genannte Signal-Rausch-Verhältnis über verschiedene Hersteller vergleichen zu können, müssen folgende Informationen vorliegen:
- wurde das Signal-Rausch-Verhältnis dunkel (d.h. ohne echtes Signal) oder hell gemessen? Falls hell, also mit einem echten Signal gemessen wurde: bei welcher Signal-Intensität?
- bei welcher Temperatur?
- über den gesamten Wellenlängenbereich?
- über wie viele Messungen?
In Summe können diese Faktoren das Signal-Rausch-Verhältnis ein und desselben Spektrometers durchaus um den Faktor 10 beeinflussen.
Dabei sollte beachtet werden, ob die genannten Bedingungen zur eigenen Mess-Situation passen werden: So lässt sich beispielsweise im Labor-Aufbau eine Temperatur von -20 °C realisieren, bei der kontinuierlichen Messung eines industriellen Prozesses mit Siedetemperatur wird das schon schwieriger.